LCS - LCS-History

Laverda im Fokus

Dezember 2015

LAVERDA Cento von Jörg "Giorgio" Strehler

Bericht: Jörg "Giorgio" Strehler


Mein Freund Dario Fabris, ehemaliger Laverda Werksmitarbeiter, in den 70er und 80er Jahren Teamleiter Qualitätssicherung, ist beim Surfen im Internet auf die spezielle Laverda Cento von Italo Piana gestossen. Da er um meine grosse Sammelleidenschaft für die Hubraumschwachen Laverda wusste, hat er mich informiert und, um den Preis (für einen Schweizer Käufer) nicht künstlich hochzutreiben, gleich den Kontakt zum Ex-Rennchampion und 46-fachen Weltrekordhalter aus Torino gesucht.

Nach seinen erfolgreichen Verhandlungen bin ich dann sozusagen als sein "Spediteur" an einem schönen Septemberwochenende im 2014 in Richtung Turin gefahren. Trotz Navi mussten wir uns durchfragen, um das etwas abgelegene Strässchen zu Italos Haus zu finden. Ein herzlicher Herr Mitte 80 empfängt uns und zeigt uns voller Stolz seine ansehnliche Sammlung an exquisiten Rennmaschinen.

Italo Piana Torino Ducati 215 ccm GrandSport 018

In seiner Scuderia Italpiana stehen dicht an dicht Raritäten von Aermacchi, Benelli, Bultaco, Ducati, Parilla, Rumi, Morini, MZ-Grand Prix, MBA, Minarelli, Malanca, ein Motom-Renn-Prototyp, mit dem er 1962 die Italienische Meisterschaft gewann, Kreidler, sowie verschiedene Yamaha, darunter eine 250 TZ F aus dem Rennstall Kenny Roberts, eine vom Britischen Champion Michael Duff und eine TR-2 A 350 ex Dieter Braun. Bevor er uns die Laverda Milano-Taranto zeigt, dürfen wir in einem Schopf noch seine 100ccm Weltrekord-Ducati sehen, mit der er 1956 in Monza 46 Weltrekorde herausgefahren hat.

Italo Piana Torino Worldrekord Ducati 100ccm 064

Dario hat die Laverda Cento ja bereits für mich gekauft. Das lässt mir keinen Spielraum mehr, um über den Preis zu feilschen, obwohl das gezeigte Motorrad nicht meinen Erwartungen entspricht. Eigentlich rechtfertigt nur das einzig vorhandene Papier, ein Original Dokument, unterschrieben von Dott. Francesco Laverda, das besagt, dass das Werk diese Cento dem Rennfahrer Italo Piana zur Verfügung stellt, seinen relativ hohen Preis.

Die sehenswerte Fiat- und Königsstadt Turin, die ich dann gemeinsam mit meiner Frau in den zwei noch verbleibenden Tagen erkundete, hat meine Enttäuschung dann aber wieder etwas aufgefangen.

Da ich mit dieser Rennlaverda die Milano-Taranto 2015 bestreiten möchte, musste sie gründlich überarbeitet werden! Mit Enzo D’Angelo, dem Motorista aus dem SF-Breganze Projekt habe ich einen genialen Mechaniker für mein Projekt gewinnen können. Dank seinem grossen Talent und Können wird der Motor komplett revidiert und wieder richtig schnell gemacht, dank „Kopf-Arbeit“ schlussendlich 120 km/h mit Satelliten-Tacho gemessen. Fahrwerk und Elektrik werden zerlegt, neue Felgen eingespeicht, neue Radlager, neuer und leichter Renn-Sattel, Auspuffanlage neu, Fussrasten Anlage neu gefixt etc. etc.

Rennmechaniker Enzo in Villanova bei Bologna
Am Schrauben (Foto Sigi Foster)

Für Mattia e Mauro Borghi von Borghi-Gomme in Ferrara durfte ich als offizieller Testfahrer ein Prototyp Satz Pneu ihrer neuen Pneumarke ICT (Italian Classic Tyre) mit dem klassischen Pirelli-Profil aber neuester Reifentechnologie mit hohem Gummianteil auf die neuen Aluhochschulterfelgen ziehen. Ab Frühling 2016 wird diese neue Pneu Marke voraussichtlich marktreif und somit erhältlich sein.

Italian Classic Tyre ICT Pneu Prototype

Es wird schlussendlich knapp und so bleibt wenig Zeit, um die Laverda ausgiebig einzufahren, bevor es an den Start zur 29th Milano-Taranto geht. Nicht weniger als 19 Laverda von 75ccm bis 100ccm starten kurz nach Mitternacht am Montag dem 5.Juli 2015 beim berühmten ehemaligen Wasserflughafen Milano Idroscalo zur Mille Miglia der Motorräder und machen sich im Licht kerzenhaft funkelnder 6 Volt Lampen, teils unterstützt durch moderne LED-Batterieleuchten, auf den beschwerlichen Weg ins knapp 1800 km entfernte Taranto.

Jahrgang der Fahrer und Entfernung nach Palermo identisch
Kurvenstile (Foto Sigi Forster)

Als mich in der Nähe von Crema eine weisse Laverda SF 750 überholt, packt mich das Rennfieber! Ich lasse ich meinen Motor singen, überhole meinerseits, mit angezeigten 116 km/h auf meinem Satelliten-Velo-Navi und bekomme es, angesichts der mässigen Sicht, der schlechten Strassen mit den vielen Löchern und der faden Halbnaben“Bremsen“ urplötzlich mit der Angst zu tun und gehe subito vom Gas.

Im Rennfieber
Am Ziel in Taranto
Auf dem roten Teppich in Mailand

Nach 14 Tagen, mit täglich teils oft mehr als 8 Stunden im Sattel, gut 3600km kreuz und quer durch ganz Italien bis nach Palermo auf Sizilien ging's ab Genova wieder zurück an die Schweizer Grenze. Auf teils extrem schlechten Strassen, mit Temperaturen zwischen mindestens 40° - 45° C, kann ich Rückblickend folgende Bilanz ziehen: Mehrere Kerzen durchgebrannt, zweite Zylinderkopfdichtung eingebaut um Verdichtung zu reduzieren, Tank gerissen und mehrmals geklebt um abzudichten (vergebens), Federbeinschraube abgeschert, Fussraste abgebrochen und bedingt durch die vielen brutalen Löcher Felgenschlag eingefangen. Fahrerseitig im Ganzen gesehen ein einmaliges Erlebnis, ein Sturz und schlussendlich „Blateren“ an den Händen, da meine Sommer-Lederhandschuhe an den Hartplastik-Handgriffen wegen dem tiefen Stummellenker völlig durchgescheuert wurden.

Federbeinschraube abgeschert
Meine Handschuhe nach 3520 km

Diesen Winter steht sie wieder bei Enzo in Marostica, der Auspuff begrenzt die dank den hervorragend haftenden ICT-Reifen mögliche Schräglage in den Kurven und ich möchte damit schliesslich nächstes Jahr an der ASI-Motoshow in Varano di Melegari wieder Hubraumgrosse Motorräder jagen!



Publiziert am Mittwoch, 16. Dezember 2015