LCS - LCS-History

Laverda des Monats

Dezember 2003

Bakker-Laverda von Jürg Jerjen

Bericht: Michael Schümann


Artikel in "PS 1/95"

Heilige Dreifaltigkeit! Ein kurzer Blick genügt, und schon entringt sich dem Betrachter ein Ausdruck der Bewunderung. Was für ein Motorrad! Dem ersten neidvollen Schielen nach dem Dreizylinder folgt zwangsläufig ein zweites und drittes. Als ob Blicke Begierden sättigen könnten. Nichts da. Jürg Jerjens feuerrote Laverda macht erst so richtig heiss.

Ursprünglich wollte sich der Schweizer aus einer reichlich vergammelten Laverda 1000 SFC mit Bakker-Rahmen eine "ganz normale Rennmaschine" aufbauen. Aber, so sagt der gelernte Autoelektriker aus Rubigen selbst, aus der Normalität wurde bald "Spinnerei". Doch auf die kann er heute, 500 Arbeitsstunden später und 50'000 Schweizer Franken ärmer, stolz sein: Von der Ur-Laverda sind nur der Tank und der Rahmen des holländischen Tuners Bakker geblieben. "Ansonsten habe ich an diesem Motorrad jede Schraube einzeln umgedreht", erzählt der Italiener-Fan.

Für sein Meisterstück hatte der 32-jährige schon ein Weilchen geübt: "Mit 17 Jahren habe ich meine erste Laverda 1000 SFC gekauft". Doch die eine schien ihm schnell nicht mehr genug, und so begann er, die Italo-Bikes zu sammeln: Zehn Jahre später hatte Jürg Jerjen 17 Laverdas in der Garage stehen. "Zwischendurch gab es auch Zeiten der Hass-Liebe zu diesen Motorrädern", gesteht er. Doch nachdem Jerjen seinen Fuhrpark auf heute noch 7 Laverdas gesundgeschrumpft hat, ist die Beziehung zwischen ihm und den exklusiven Dreizylindern wieder ungetrübt.

Nach dem Kauf seiner Bakker-Laverda begab sich Jerjen - er hatte inzwischen von Autoelektriker auf professionellen Motorradschrauber umgesattelt - gleich an Werk. Das war auch dringend nötig, denn schon auf dem Weg vom Verkäufer nach Hause war ihm die Liebe mit dem Rennrahmen liegengeblieben. Diagnose: Lagerschaden. Alte Hassgefühle walten kurz wieder hoch. Doch statt das Bike sofort mit einem Gewicht an den Rädern im Genfer See zu versenken, besann sich der Schweizer eines besseren.

Freie Sicht auf's Mittelmeer, weg mit den Alpen, sagte sich Jerjen und strippte seine Errungenschaft bis auf den Bakker-Rahmen ab. Das nackte Gittergerüst liess er glanzvernickeln; dann machte er sich daran, ihm einen verstellbaren Lenkkopf zu konstruieren. Ausserdem rüstete Jerjen ein 17-Zoll-Marvic-Hinterrad auf Rechtsantrieb um. Denn eines war von vornherein klar: In den Rahmen musste wieder ein Laverda-Triebwerk rein. Und das hat das Ritzel nun mal rechts.

Also machte sich Jerjen auf die Suche nach dem entsprechenden Dreizylinder. Ein originaler Werksmotor, der 1983 für die TT-Formel 1 gebaut worden war, schien ihm gut genug. Bei einem Schweizer Händler wurde Jerjen fündig und schwatzte ihm das edle Stück - noch in der Originalverpackung - ab. Geschätzte Leistung: etwa 100 PS. Doch bis zu den Augenblick, an dem das 1000-Kubik-Aggregat zum ersten Mal in seiner neuen Luxus-Heimat, dem Bakker-Rahmen, durch die drei offenen, 36 Millimeter grossen Dell'Ortos schnorcheln sollte, war es noch ein weiter Schrauber-Weg.

Jerjen erleichterte den Dreizylinder um Anlasser und Lichtmaschine. Dann überarbeitet er den Zylinderkopf, glättete Ein- und Auslasskanäle, erleichterte und polierte die 120-Grad-Kurbelwelle. Das Ritzel verlagerte er - schliesslich sollte hinten ein breiter 180er Reifen drauf - weiter nach aussen. Um dafür Platz zu gewinnen, baute Jerjen die Kupplung von hydraulischer auf mechanische Betätigung per Bowdenzug und Umlenkung um.

Nachdem er den 11 zu 1 verdichteten Motor mit einer feuerroten Pulverbeschichtung und polierten Gehäusedeckeln auch optisch auf Vordermann gebracht hatte, wandte sich Jerjen wieder dem Fahrwerk seines Spielmobils zu. Der Gabel spendierte er White Power-Federn und das Federbein holte er sich vom gleichen Hersteller.

Mit seinem Freund Hans Wittwer machte sich Jerjen dann über Fussrasten, Batteriekasten und Edelstahlauspuff her. Exklusiv muss es sein, sagten sich die beiden und sperrten sich ein Wochenende lang in der Werkstatt ein. Dort frästen und drehten sie die benötigten Teile selbst.

Wegen des Rechtsantriebs war hinten eine spezielle Bremsscheibe nötig. Sie entstand ebenfalls in Eigenregie und wird von einem Brembo-Zweikolbensattel in die Mangel genommen. Das vordere Marvic-Rad, dachte Jerjen, würde wohl am besten von zwei Vierkolben-Brembos verzögert.

Um den edlen Kern ins passende Gewand zu hüllen, fehlten noch die nötigen Kohlefaser-Teile. Als ideale Frontpartie hatte sich Jerjen die Halbschale der Ducati Supermono auserkoren. Aber dieser Liebe auf den ersten Blick hätten die Bologneser fast eine Strich durch die Rechnung gemacht: nur an eingetragene und dem Werk bekannte Supermono-Besitzer wollten sie die Verkleidung verkaufen.

Wieder waren Jerjens Überredungskünste gefragt. Wieder bekam er letztendlich, was er wollte. Und wieder musste alles umgebaut werden: Den Lufteinlass für das Ram Air-System der Ducati wandelte der Schweizer kurzerhand in eine Extra-Luftkühlung des Zylinderkopfes um.

Hinter die Verkleidung platzierte Jerjen einen mechanischen Veglia-Drehzahlmesser. Dieser stammt ebenfalls von einer Ducati. Als Spritfass steckte Jerjen einen Bakker-Tank für Langstreckenrennen auf den Rahmen und verschraubte dahinter schliesslich den Sitzbankhöcker einer Ducati 888. Zuguterletzt verpasste er dem Gesamtkunstwerk mit 180 Kilo Kampfgewicht noch die einzige in Frage kommende Lackierung: feuerrot.

Was tatsächlich an Leistung in dem frischgebauten Edelbike steckt, ist noch nicht sicher. Demnächst soll Jerjens Brandstifter auf dem Prüfstand zeigen, wie er zündeln kann. Sicher ist dem feurigen Dreitopf aber jetzt schon eines: Wo er antritt, da geht's bestimmt heiss her.


Technische Daten
Motor Luftgekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor
Bohrung x Hub 75 x 74 mm
Leistung ca. 100 PS
Hubraum  988 cm3
Getriebe Klauengeschaltetes Fünfganggetriebe
Gewicht Vollgetankt 180 Kilogramm
Baujahr 1994
Edelbiker Jürg Jerjen


Publiziert am Montag, 1. Dezember 2003